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Was Erde alles kann. Erkundungen rund um den Boden des Lebens

Auf der Erde kann man leben, in der Erde kann man graben, unter die Erde muss man auch irgendwann, und mit Erde kann man allerlei Nützliches herstellen. Wir haben also viel vor, wenn wir uns das Thema Erde in all seiner Vielfältigkeit vornehmen. Beginnen wir von unten.

Grundlage für alles
Der Wiener Boden klingt wie ein Fachbegriff aus der Zuckerbäckerei, ist allerdings biologisch und wörtlich gesehen auch die Grundlage für alles, was hier passiert. Er ist Standort für Bauwerke und Verkehrsanlagen, Grundlage land- und forstwirtschaftlicher Produktion, Rohstoff lieferant für Schotter, Sand oder Lehm, bindet Schadstoffe, hat eine wichtige Funktion als Filter in der Grundwasserbildung, und er ist ein Lebensraum für Pflanzen und Tiere.
Boden ist nicht nur in Wien, sondern in allen städtischen Ballungsräumen ein knappes Gut. Er entsteht durch die Verwitterungsprozesse an der Erdoberfläche. Die oberste, humusreiche Schicht wird durch die Pflanzendecke geprägt und ist intensiv belebt. Bakterien, Pilze, Regenwürmer und andere Kleinlebewesen sorgen für die Umwandlung abgestorbener Pflanzenteile in neuerlich verwertbare Nährstoffe. In der fruchtbaren Lösslandschaft des Wiener Beckens haben sich tiefgründige Schwarzerden entwickelt. Im niederschlagsreicheren Wienerwald dominieren die Braunerden. Zu den natürlichen Bodentypen Wiens kommen zunehmend menschlich beeinflusste, wie humusreiche Gartenböden, Böden aus Müll, Bauschutt oder Gleisschotter.

Ausstellung mit großen Fragen
Aber wie lange wird es diese Vielfalt noch geben? Mit der aktuellen Ausstellung „Boden für Alle“ will das Architekturzentrum Wien die vielen Kräfte zeigen, die an unserem Boden zerren. Hier wird erkennbar gemacht, wie viele Disziplinen die „Bodenfrage“ berührt; neben Raumplanung und Architektur auch Ökonomie und Rechtswesen, Landwirtschaft und Bodenkunde sowie ganz zentral Ökologie und Klimaforschung. „Wir alle wünschen uns gutes Essen, schöne Dörfer, naturbelassene Umwelt, eine florierende Wirtschaft und belebte Städte. Wir wollen günstig und großzügig wohnen, mobil und unabhängig sein. Die meisten dieser Begehrlichkeiten sind nachvollziehbar, und doch bergen diese Wünsche ungeheure Interessenkonflikte“, so die Kuratorinnen der Ausstellung Karoline Mayer und Katharina Ritter.

Garteln in der großen Stadt
Ein Weg, die vorhandene Erde ökologisch nachhaltig und auch im Sinne eines genussvollen Lebens zu nutzen, ist das Urban Gardening. Hinter dem schicken Anglizismus steckt die Überzeugung, auf den vorhandenen, meist kleinen Flächen anzubauen und zu ernten. Neben dem Nutzen, den das frische Obst und Gemüse bringt, geht es auch darum, den Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohnern die Beziehung zur Natur näherzubringen und zu bewahren. Die City Farm Augarten ist ein Beispiel dafür, wie die Idee zu einem funktionierenden Verein werden kann. Gründer und Leiter Wolfgang Palme: „Wir haben es geschafft, in neun Jahren gemeinnütziger Arbeit viel für Naturvermittlung und Gartenpädagogik zu tun. Dabei sind uns die Kinder besonders wichtig. Unsere Gartenpädagogik orientiert sich an international erfolgreichen Institutionen und funktioniert sehr gut.“ Die City Farm wird im Jahr von 4.500 Kindern und 1.000 Erwachsenen besucht.

Wenn Sie jetzt neugierig geworden sind und den Spaten schon in der Hand haben: Als Anlaufstelle der Stadt wurde für alle Interessierten „Garteln in Wien” in der Bio Forschung Austria eingerichtet. Wienerinnen und Wiener können sich dort informieren, wo sie in Wien selbst garteln oder frisches, regional produziertes Gemüse beziehen können. Die MA 49 – Forst- und Landwirtschaftsbetriebe stellt dafür Flächen für Ökoparzellen und Gemeinschaftsgärten zur Verfügung, die MA 42 – Wiener Stadtgärten fördert einen Gemeinschaftsgarten je Bezirk, verpachtet Parkflächen für Gemeinschaftsgärten und bieten auch bei Fragen zum Pflanzenschutz kostenlose Hilfe an.

Von der Tonne aufs Beet
Einen wichtigen Rohstoff fürs Garteln und Pflanzen liefert die MA 48. In einer modernen Anlage in der Lobau stellt sie aus den gesammelten biogenen Abfällen hochwertigen Kompost her. Über 6.000 Tonnen davon holen die Wienerinnen und Wiener jedes Jahr von den Mistplätzen und bringen ihn zum Blühen. Seit 2009 wird aus dem Kompost auch die fertig abgemischte torffreie Erde „Guter Grund“ in Wien produziert.
Bereits seit 1991 ist die getrennte Sammlung dieser Abfallfraktion flächendeckend etabliert. Bereits zu Beginn war das Hauptziel der Wiener Biokreislaufwirtschaft nicht die Entsorgung von Abfällen, sondern die Erzeugung von wertvollem Kompost. Heute hat die Stadt Wien nicht nur über ein Kompostwerk für Gartenabfälle, sondern auch eine Biogasanlage für Speisereste und ein Biomassekraftwerk. Kompost dient unter anderem der Bodenverbesserung und ersetzt mineralischen Dünger.

Die Wiener Ziegeltradition
Wir verlassen nun die erdigen Beete und Humushügel, lassen die Gummistiefel aber lieber an. Denn auch die nächste Station ist eine erdige, wenngleich mit anderer Konsistenz. Die Geschichte des Wienerbergs im Süden Wiens ist durch die Ziegelwerke geprägt. Ablagerungen eines Meeres aus dem Jungtertiär vor etwa 15 Millionen Jahren haben Tonerde im Wiener Becken hinterlassen. Diese reichen Lehmvorkommen wurden bereits in römischer Zeit zur Ziegelgewinnung genützt. Die Ziegelerzeugung war für Wien bedeutend, da natürliche Bausteine in der Umgebung der Stadt fehlten. 1775 ließ Kaiserin Maria Theresia am Wienerberg deshalb die erste staatliche Ziegelei errichten.
Um 1820 erwarb Alois Miesbach, ein Unternehmer aus Mähren, neben anderen Ziegeleien auch jene am Wienerberg. Seine Ziegelfabrik wurde bald zur größten des Kontinents. 1855 besaß Miesbach neun große Ziegeleien. Die Firma Wienerberger ist auch heute noch ein weltweit agierendes Unternehmen. Neben Wohngebäuden für die Arbeiter wurden auf dem Wienerberg-Gelände nahe der Ziegeleien auch soziale Einrichtungen wie ein Krankenhaus oder eine sogenannte Kinderbewahrungsanstalt errichtet. Durch ihre spezielle Ziegelproduktion hatte Miesbachs Firma großen Einfluss auf die Wiener Architektur der Ringstraßenepoche.
Mit dem industriellen Kapitalismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschärfte sich die Ausbeutung der Ziegelarbeiter. Victor Adler war einer der ersten Kritiker dieser Umstände. In der von ihm gegründeten Zeitung „Gleichheit“ prangerte er die Lebens- und Arbeitsumstände der „Ziegelböhm“ an und machte diese einer größeren Öffentlichkeit bekannt.
Die Ziegelwerke bestanden bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts und waren noch in der Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg voll im Betrieb. Erst als die Rohstoffvorkommen weitgehend erschöpft waren und der Abbau zunehmend unwirtschaftlich wurde, begann man in den 1960er-Jahren, die Lehmgruben nach und nach zu schließen. Nach dem Erwerb des Areals durch
die Stadt Wien wurden die infolge des Lehmabbaues entstandenen Gruben für die Anlage von Hausmüllund Bauschuttdeponien genutzt. Ende der 1970er-Jahre wurde ein Ideenwettbewerb für die städtebauliche Entwicklung eines Teilbereiches des Wienerberg-Geländes ausgeschrieben. Der Großteil des Areals wurde in der Folge zu einem neu gestalteten Erholungsgebiet und 1995 zum „geschützten Landschaftsteil“ erklärt.
Und noch ein Hinweis für alle Freunde der Erde (also der runden): Am 22. April wird jedes Jahr weltweit der Earth Day gefeiert. Die Idee hatte 1970 der Mitarbeiter eines US-Senators. Heute ist dieser Tag für alle wichtig, denen die Zukunft des Planeten am Herzen liegt. An allen anderen Tagen im Jahr sollte man das übrigens auch nicht aus den Augen verlieren. Am besten beim Düngen der eigenen Karotten mit feinem Humus von der MA 48.

 

Inspirationen

Ausstellung: „Boden für Alle“
Mit der drohenden Klimakatastrophe stellt sich die Frage, ob der bisherige Weg des Bodenverbrauchs mit maximalen Kompromissen und minimalen Anpassungen noch tragbar ist. Wie geht eine weitreichende und mutige Bodenpolitik?
Architekturzentrum Wien
bis 19. 07. 2021, täglich 10–19 Uhr

Wiener Ziegelmuseum
Das Wiener Sondermuseum Ziegel und Baukeramik ist das einzige seiner Art in Österreich. Hier finden interessierte Ziegelfreunde quasi jede Art von Ziegelstein. Die Sammlung umfasst 13.000 Stücke und wächst ständig weiter.
1140 Wien, Penzinger Straße 59
jeden 1. und 3. Sonntag im Monat 10–12 Uhr

Saatgut von der Arche
ARCHE NOAH bewahrt und pflegt tausende gefährdete Gemüse-, Obst- und Getreidesorten. Traditionelle und seltene Sorten sollen wieder in die Gärten und auf die Märkte gebracht werden. Gärtnerinnen und Gärtner werden mit Saatgut und Know-how unterstützt.
Infos unter arche-noah.at
Der Verein kann per Mitgliedschaft unterstützt werden.

Foto: Shutterstock

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