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Form vollendet: Glas – ein Material zwischen Alltag und Hightech

Wir essen und trinken daraus, schauen darauf und hindurch, gehen darüber, und manchmal zerbrechen wir es. Vielfalt, dein Name ist Glas. Kaum ein Material hat so viele Facetten, Farben und Formen. Es fasziniert Chemiker ebenso wie Archäologen, Architekten, Weinkenner und natürlich Glasbläser.

Am Anfang war Ägypten

Beginnen wir unsere kleine Reise in diese fragile Welt mit einer kurzen physikalischen und historischen Einordnung. Glas ist ein Sammelbegriff für eine Gruppe amorpher Feststoffe und besteht hauptsächlich aus Siliziumdioxid. Die Vielfalt an Strukturen verlangt auch eine sehr breite Palette an Bearbeitungstechniken. Es waren die Ägypter, die sich etwa 1600 v. Chr. intensiv und erfolgreich mit diesem Thema beschäftigt haben. Quarzgestein wurde zerkleinert, mit sodahaltiger Asche vermischt und geschmolzen. Beim Härten wurden dann Barren produziert, die teilweise gefärbt und an weiterverarbeitende Stellen geliefert wurden. Die Römer verfeinerten die Bearbeitungen und legten so den Grundstein für die venezianische Glastradition, die bis heute in der ganzen Welt bekannt ist.

Venedig als Wiege der Glaskunst

Um das Geheimnis ihrer Kunst zu bewahren, wurden alle venezianischen Glasmacher im 13. Jahrhundert von den Herrschenden auf die Insel Murano verfrachtet. Offizieller Grund war der Brandschutz aufgrund der heißen Öfen. Eigentlich ging es aber darum, die Verfahren zur Herstellung nicht über die Stadtgrenzen dringen zu lassen. Auf den Verrat dieses Wissens stand sogar die Todesstrafe. Im 17. und 18. Jahrhundert verbreitete sich die Kunst dann trotzdem in Europa. Zahlreiche Herrscher – darunter Ludwig der XIV. – nahmen die Dienste der Meister in Anspruch, um für sich prunkvolle Spiegel und Glaskunstwerke anfertigen zu lassen.

Die Wiener Architekten der Moderne

Auch Wien hat einen ganz besonderen Platz im Geschichtsbuch, wenn es um Glas geht. Eine Gruppe junger Architekten – Studenten der Wiener Akademie der bildenden Künste unter Otto Wagner, der Kunstgewerbeschule und der Technischen Universität – entwickelte um 1900 ein besonderes Interesse an diesem Werkstoff. Ihr Ansatz war nicht nur in der Form radikal modern, es war ihnen auch wichtig, selbst beim Fertigungsprozess Hand anlegen zu können. Die Verbindung zwischen entwerfenden Architekten und ausführenden Handwerkern sollte – im Sinne einer gegenseitigen Annäherung – stärker werden. Und so waren viele weltberühmte Architekten der Wiener Moderne, wie Josef Hoffmann, Koloman Moser oder Oswald Haerdtl, selbst in den böhmischen Glashütten am Werk, wenn ihre unvergleichlichen und stilprägenden Entwürfe für Zier- und Gebrauchsglas umgesetzt wurden. Hilfreich dabei war auch das gute Einvernehmen der Künstler mit den in Wien bestens etablierten Manufakturen, wie Bakalowits oder Lobmeyr, die entsprechende Gelegenheiten zur Zusammenarbeit in der Glashütte ermöglichen konnten.

Das Museum für angewandte Kunst (MAK) hat dazu 2017 eine viel beachtete Ausstellung mit dem Titel „Das Glas der Architekten“ zusammengestellt. Der verantwortliche Kurator Dr. Rainald Franz: „In Wien wurde um 1900 der Grundstein für einen neuen Architekturstil gelegt. Mehr Freiheit und Leichtigkeit konnten mit den Möglichkeiten von Glas in der Fassadengestaltung hervorragend zum Ausdruck gebracht werden. Außerdem haben sich die Architekten nicht mehr nur mit dem Entwurf von Gebäuden begnügt, sondern sind einen Schritt weiter in Richtung integriertes Design gegangen.

Das hat sich dann in der durchdachten Gestaltung der Gebrauchsgläser manifestiert, die quasi zum Haus dazu entworfen wurden. Sie konnten ihre ästhetische Qualität aber auch für sich allein entfalten.“ Das Erbe dieser Pioniere lebt heute in Wien weiter, wie der Glaskünstler Robert Comploj beweist.

Das neue Glas: Hightech

Aber welche Funktionen kann Glas in einer zunehmend digitalisierten und automatisierten Welt übernehmen? Ziemlich viele, lautet die Kurzversion der Antwort. Die Innovationen in der Glasverarbeitung zeigen sich durch immer mehr Patente. Einen Blick auf die Highlights der Branche kann man alle zwei Jahre bei der größten Fachmesse der Welt, der glasstec, machen. Dort sind interaktive Gläser ebenso anzutreffen wie Glasfassaden, die Mediendarstellungen ermöglichen. Glas wird in Zukunft viel mehr Funktionen im Bau- und Wohnbereich übernehmen. Kluges Licht- und Temperaturmanagement durch entsprechende Regulierung der Fensterdurchlässigkeit ist nur ein Beispiel von vielen.

Sehr spannend ist auch die Ausstattung von Mehrschicht-Flachgläsern mit Halbleiter- und Schaltungstechnik. Dadurch entsteht eine fortgesetzte Verschmelzung von Material und Technik. Umkleidekabinen, in denen die Hybride aus Spiegelglas und Display eingesetzt werden, werden zu Multifunktionsräumen. Zusatzinfos über Preis, Material und verfügbare Größen können eingeblendet werden. Und sogar die Farbe des Kleidungsstücks kann sich im Spiegel ändern.

Ganz vorne dabei beim Entdecken der Möglichkeiten ist ein Start-up aus Wien. LightGlass ist gerade dabei, sein Konzept von intelligent leuchtenden Flächen für die Innen- und Außenanwendung an einige große Produzenten zu verkaufen (Details dazu im Interview mit LightGlass-CEO Michael Wiesmüller).

Die Glasharmonika als wiederentdecktes Juwel

Machen wir einen großen Sprung von den HightechMessehallen in traditionelle Konzertsäle. Dort hört man seit einiger Zeit wieder ein bemerkenswertes Instrument, das eine lange Vergangenheit hat und für dessen Zukunft sich das steirische Ehepaar Christa und Gerhard Schönfeldinger einsetzt: die Glasharmonika.

Sie besteht aus einem sich verjüngenden Zylinder aus mehreren Glasschalen, die horizontal auf einer Achse in ein Holzgestell eingespannt sind. Durch Drehung des Zylinders und Berührung mit den Fingerspitzen werden die Schalen in Schwingung gebracht. Das Resultat sind magische und beeindruckende Klänge, deren Wirkung über das bloße Hören der Töne hinausgeht. Erfunden wurde die Glasharmonika Ende des 18. Jahrhunderts von Benjamin Franklin. Es folgte eine Hochphase, in der zahlreiche bekannte Komponisten wie Mozart, Salieri oder Donizetti eigens Stücke für das damals neue Instrument schrieben. Als dann die Orchester und die Säle, in denen sie musizierten, größer wurden, hatte die leise Glasharmonika einen schweren Stand und wurde bald aus den Ensembles verdrängt.

Die Schönfeldingers haben es sich nun zur Aufgabe gemacht, ihr zu einer Art neuen Blüte zu verhelfen. „Es gibt nur mehr eine Handvoll Glasharmonikaspieler und -bauer. Wir wollen diesem wunderbaren Instrument eine Zukunft geben und Interesse bei Musikinteressierten wecken, die es dann am besten auch lernen“, beschreibt Christa Schönfeldinger ihre Mission. „Die Magie dieser Klänge ist überwältigend und hat auch direkte Auswirkungen auf das Wohlbefinden. Wir haben derartige Erfahrungen gemacht, die wir auch immer wieder gerne weitergeben“, schwärmt die Virtuosin. Noch mehr interessante Details zur Glasharmonika können Sie in der Vollversion des Interviews lesen.

Glas kann uns auf so viele Arten und in so vielen Gestalten begegnen. Seine Wandlungsfähigkeit ist beeindruckend. Von seiner Herstellung bis hin zu seiner Nutzung erfreut es uns in vielerlei Gestalt. Meist zerbrechlich, manchmal robust und auch immer wieder einmal überraschend. Eine Welt ohne Glas ist heute undenkbar.

 

Inspirationen

Altes Instrument in neuer Blüte
Mehr über die Glasharmonika, das Projekt „Nothing Compares“, das zur Motivation neuer Talente für die Glasharmonika beitragen soll, und alle aktuellen Konzert- und Seminar- termine unter www.glasharmonika.at.

Ausstellungskatalog zur MAK-Schau
„The Glass of the Architects: Vienna 1900–1937“ Herausgegeben von Rainald Franz, Le stanze del vetro, Fondazione Cini, in Kooperation mit dem MAK. Italienisch/Englisch, 328 Seiten, Skira, 201

Murano – Die Klassiker des italienischen Glasdesigns
In diesem umfangreich bebilderten Band kann man tiefer in den Zauber der Glasstadt Venedig und des Murano-Glases vordringen. Die unterschiedlichen Techniken werden anschaulich beschrieben. Bernd Polster, DuMont Buchverlag, 356 Seiten

Foto: Bernhard Schramm

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