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Blick auf das große Ganze für ein gelingendes Leben

Was macht eigentlich die innere Größe eines Menschen aus? Woran lässt sie sich erkennen, und wie kann man sie in sich selbst entwickeln? Der Psychotherapeut Dr. Philip Streit betrachtet den Menschen durch die Linse der Positiven Psychologie und zeigt Wege auf, um den eigenen Charakter zu stärken. Dabei geht es um das Wechselspiel zwischen der persönlichen inneren Entwicklung und dem Blick auf das große Ganze. Ein gelingendes Leben und Zusammenleben sind das Ziel.

 

 

Wie definieren Sie innere Größe?

Innere Größe kann man daran messen, inwieweit es jemandem gelingt, menschliche Tugenden zu leben oder sich zu vervollkommnen. In der Positiven Psychologie werden dazu sechs Tugenden definiert: Weisheit und Wissen, Mut, Liebe und Humanität, Gerechtigkeit, Mäßigung sowie Transzendenz. Die innere Größe hat dabei aber keinen Anfang und kein Ende. Sie ist nichts Fixes, was man einmal erreichen kann, sondern sie entwickelt sich dynamisch immer weiter.

Wie äußern sich diese Tugenden?

Zum Beispiel darin, dass man über den eigenen Tellerrand hinausschaut und Dinge für möglich hält, die – noch – nicht Realität sind. Gleichzeitig kann man die Dinge hinnehmen, wie sie gerade sind, und sich ausgehend davon entwickeln ohne zu hadern. Größe zeigt auch, wer verzeihen kann. Verzeihen bedeutet dabei, erfahrene Kränkungen so zu bearbeiten, dass sie einen tatsächlich selbst nicht mehr belasten. Das ist oft schwierig. Da ist emotionale Stärke gefragt und die generelle Fähigkeit, das was man tut und fühlt selbst zu regulieren. Und immer wieder geht es darum, Achtung vor dem großen Ganzen zu haben, sich selbst zurückhalten zu können, um das Große zu fördern.  

 

Wie geht ein innerlich großer Mensch mit Autorität und Macht um?

Das sind Menschen, die Autorität positiv leben, indem sie andere Menschen schätzen und wertschätzen. Sie nutzen ihren Einfluss und ihre Möglichkeiten, um ihren Beitrag zu leisten, dass das gemeinsame Leben gelingt. Wer hingegen keine innere Größe hat und sich selbst ständig anzweifelt, versucht oft seine Würde autoritär durchzusetzen, indem er andere abwertet und kränkt. Wer andere erniedrigt, dem fehlt es eindeutig an Größe. Auch wer Macht ausübt, um zu verändern, ist weder weise noch beziehungsfreundlich, weil er schnell in den Machtkampf gerät. Ein weiser, großer Mensch bedient sich hingegen der Wertschätzung und Unterstützung. Er leistet seinen Beitrag zum großen Ganzen, indem er klare Botschaften sendet, aber ohne zu hoffen oder zu erwarten, dass sich der Andere ändert.

Wenn sich der Andere nicht ändert, wie findet dann Veränderung statt?

Es geht darum, was ich in die Welt bringe, und nicht darum, was die Umwelt mir entgegenbringt. Größe zeichnet sich immer dadurch aus, dass ich nicht erst dann gelingend kommunizieren kann, wenn sich der andere geändert hat, sondern dass ich mich selbst ändere und an mir selbst arbeite. Die entscheidende Entwicklung hängt also von meinem Beitrag ab, der kann positiv oder negativ sein. Wer es schafft, einen positiven Beitrag zum gelingenden großen Ganzen zu leisten, zeigt Weisheit und Größe. Das gilt im Kleinen, zum Beispiel in der Familie, genauso wie auf der großen Weltbühne.

Sie sprechen von Entwicklung. Wird man also nicht mit diesen Tugenden geboren?

Nein. Der Mensch wird mit der Tendenz zu Kooperation geboren, mit dem Ziel, autonom und unabhängig zu sein, und mit einem inneren Antrieb, das Beste aus sich herauszuholen. Auch die unterschiedlichen Temperamente sind angeboren. Aber Charakterzüge und Tugenden sind tiefgreifende positive Persönlichkeits- eigenschaften, die man also in sich selbst entwickelt, und zwar nicht nur für das eigene Glück, sondern immer auch mit dem Blick auf das große Ganze.

Wo fange ich an, wenn ich meine innere Größe entwickeln möchte?

Die wichtigste Voraussetzung für menschliche Größe ist in meinen Augen, sich selbst so zu lieben, wie man ist, und gleichzeitig nicht aufzuhören, nach weiteren Erkenntnissen zu streben. Diese Selbstliebe ist nicht zu verwechseln mit Narzissmus. Es geht vielmehr darum, dass man sich selbst so annimmt, wie man eben ist – mit allen Unzulänglichkeiten. Dann kann man Fehler machen, ohne daran zu verzweifeln, und stattdessen einfach dranbleiben und sich weiter um die eigene Entwicklung bemühen. So kann der Mensch ein gutes, gelingendes Leben führen.

Ein gutes, gelingendes Leben – wie kommt man dorthin?

Das gelingende Leben entwickelt sich immer auf der Basis einer guten Umgebung. Für diese Umgebung ist man aber immer wieder selbst verantwortlich. Das kann man sich wie eine Spirale vorstellen: Man muss sich diese gute Umgebung gestalten und sie entwickeln, indem man Dinge tut, die emotional beflügeln, also Dinge, die man leidenschaftlich gerne macht. Daraus entwickeln sich wieder spontane positive Gedanken, und so entsteht die Aufwärtsspirale des gelingenden Lebens. Genau hier ist wieder die Größe gefordert: Denn wer dabei nur auf sich selbst schaut, läuft Gefahr, in die Narzissmus-Falle zu treten. Wer hingegen seine Leidenschaft in Abstimmung mit anderen auslebt und auch immer das große Ganze im Blick behält, beweist wahre Größe.

Und was ist mit einem gelingenden Zusammenleben?

Der Mensch ist dazu bestimmt, Wege der Kooperation zu finden. Die Kooperation braucht die liebevolle, wertschätzende Initiative des Einzelnen, anstatt immer vom anderen zu fordern: „Sei endlich lieb zu mir!“ Wenn jeder bei sich selbst anfängt, den anderen wertschätzt, ihm gute Motive unterstellt und ihm „messages of love“ schickt, ergeben sich automatisch Konzepte, wie man miteinander gut umgehen kann. Dann können wir dem Selbstlauf der Dinge vertrauen. Die gute Gesellschaft ist nicht verordenbar, sie kann sich nur entwickeln.

Und ein gelingendes Zusammenleben?

Der Mensch ist dazu bestimmt Wege der Kooperation zu finden. Die Kooperation braucht die liebevolle wertschätzende Initiative des Einzelnen, anstatt immer vom Anderen zu fordern „Sei endlich lieb zu mir!“ Wenn jeder bei sich selbst anfängt, den anderen wertschätzt, ihm gute Motive unterstellt und ihm „Messages of Love“ schickt, ergeben sich automatisch Konzepte, wie man miteinander gut umgehen kann. Dann können wir dem Selbstlauf der Dinge vertrauen. Die gute Gesellschaft ist nicht verordenbar, sie kann sich nur entwickeln.

 

Beitragsbild: © Adobe Stock

 

Dr. Philip Streit ist Klinischer und Gesundheitspsychologe und Psychotherapeut in Graz sowie Autor mehrerer Bücher. Als direkter Schüler von Prof. Dr. Martin Seligman hat er die Positive Psychologie erstmals nach Europa gebracht und lehrt ihre Prinzipien auch in Vorträgen und Seminaren.

www.drphilipstreit.com

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