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Klein und Fein trifft Groß und Weit

Der kleinste und der größte Bezirk Wiens könnten unterschiedlicher nicht sein. Und doch sind sie beide ganz typisch für diese Stadt. Warum sich Menschen in der Josefstadt so wohlfühlen und warum andere sich keine bessere Wohnumgebung als die Donaustadt vorstellen können, ist oft reine Geschmackssache.

 

Wer durch die Lenaugasse im 8. Bezirk flaniert – links und rechts die historischen Bürgerhäuser mit ihren Biedermeier-Fassaden – kann es deutlich spüren: Das ist Wien! Das altehrwürdige Wien zumindest, das Traditionen hochhält, Kultur genießt und wo sich das gesellschaftliche Leben zwischen Theater und Kaffeehaus abspielt. Zu sehen gibt es hier vor allem eines: viele schöne Häuser. Dafür kaum Himmel und relativ wenig Grün.

Ein Großteil des 8. gilt als bauliche Schutzzone, sogar die U-Bahn-Station Josefstädter Straße steht unter Denkmalschutz. Die Theater und Kaffeehäuser sind wahre Institutionen mit zum Teil jahrhundertealter Geschichte: Das Theater in der Josefstadt ist das älteste noch bespielte Theater in Wien. Auch das Kabarett Niedermair, Vienna’s English Theatre und das Pygmalion Theater sind Fixpunkte in Wiens Kulturlandschaft. Und mit dem „Hummel“ und dem „Eiles“ befinden sich hier auch zwei der bekanntesten Traditionskaffeehäuser, dazu Spezialgeschäfte, ein wöchentlicher Bauernmarkt – bio natürlich – und viele Cafés und Restaurants, teils mit gemütlichem Gastgarten im Innenhof … Wer das Stadtleben liebt, ist hier richtig. Und nachdem auch hier immer mehr Bäume gesetzt werden, wird der Bezirk auch merkbar grüner.

Wienerisch geerdet

„Mehr innerstädtisch als die Josefstadt geht nicht“, erklärt die Stadtpsychologin Cornelia Ehmayer-Rosinak. Sie betrachtet Städte gerne als „Wesen“ und analysiert mit ihrer „Aktivierenden Stadtdiagnose“ die Stärken und Schwächen von Städten und Stadtteilen. „Im 8. kann man das urbane Leben genießen. Den intellektuellen Austausch, Theater, die Büchereien. All das ist so typisch Stadt. Auch Oper, Volksoper sowie Burg- und Volksgarten sind ganz in der Nähe.” Ehmayer-Rosinak hat selbst lange im 8. gelebt und kennt den Bezirk von allen Seiten. „Man spürt hier auch die Schwere, die man Wien immer wieder zuschreibt. Das hat vielleicht auch mit der Bebauung zu tun. Alles ist dicht und eng, aber nicht unangenehm. Ich finde, hier ist man richtig wienerisch geerdet.“

Dieses dicht bebaute Gebiet war immer schon begehrter Wohnsitz von Beamten, Akademikern, Künstlern und Intellektuellen. Über die Hälfte der JosefstädterInnen hat einen Universitätsabschluss – ein Anteil, der weit über dem Wiener Durchschnitt von 29 Prozent liegt. Die meisten Bürgermeister Wiens waren hier zu Hause, genauso wie die Schriftsteller H. C. Artmann, Marie von Ebner-Eschenbach und Anton Wildgans sowie die Bühnengrößen Oskar Werner und Freddy Quinn. Doch wer glaubt, dass sich in einer so gediegenen Umgebung nur die ältere Generation heimisch fühlt, irrt sich. Es mag an der Nähe zur Universität liegen oder an der Dichte der Kaffeehäuser: Wiens 8. Bezirk zieht viele StudentInnen an, und auch junge Familien schätzen die Altwiener Atmosphäre und die Tatsache, dass sich hier alles zu Fuß erledigen lässt, auch der Schulweg.

 

Gut zu Fuß

Gleich hinter dem Rathaus und Parlament gelegen, nimmt der Stadtteil zwischen Alser Straße und Lerchenfelder Straße nämlich nur knapp über einen Quadratkilometer Fläche ein. Er ist damit nicht einmal halb so groß wie der Zentralfriedhof, was bedeutet, dass sich innerhalb des Bezirks jedes Ziel in höchstens zehn Minuten zu Fuß erreichen lässt. Unvorstellbar eigentlich, dass sich dieser kleine Bezirk ursprünglich aus fünf eigenständigen Gemeinden zusammensetzte. Daher auch die vielen Plätze, die einst Dorfzentren waren. Heute sind sie kaum als solche wiederzuerkennen, da sie meist als rare Parkmöglichkeiten genutzt werden. Mit Ausnahme des weit offenen Jodok-Fink-Platzes: Auf dem Kopfsteinpflaster vor der imposanten Barockkirche Maria Treu fährt und parkt kein Auto. Stattdessen spielt sich hier im Sommer das Dolce Vita ab – bei Pizza und Aperol Spritz, fast wie in Italien. Nur das Meer fehlt.

Urlaubsfeeling inklusive

Meer gibt es zwar auch im 22. Bezirk keines, dafür aber viel Wasser und immer einen Hauch von Urlaubsfeeling in der Nähe. Wer hier wohnt, hat sowohl die Annehmlichkeiten der Stadt im Rücken als auch das Gefühl, beinahe auf dem Land zu leben. Das ist es auch, was die BewohnerInnen der Donaustadt so lieben. Schwimmen in der Alten Donau, Sonnenliegen am Kaiserwasser, Bootfahren auf dem Entlastungsgerinne, Radeln auf der Donauinsel, Spazierengehen in der Lobau, Abendstimmung genießen am Mühlwasser … das haben die DonaustädterInnen alles vor ihrer Haustüre.

„Die Donaustadt hat extrem viel Green and Blue Space, das wirkt außerordentlich gesundheitsfördernd“, weiß die Stadtpsychologin. „Dafür sind aber die Wege meistens weit, sodass man doch immer wieder das Auto braucht.“ Tatsächlich besitzen im 22. überdurchschnittlich viele Menschen ein Auto. Hier kommen 42 PKW auf 100 EinwohnerInnen, im Gegensatz zum 8. Bezirk mit nur 31 Autos pro 100 EinwohnerInnen. Immerhin sind auch links der Donau die öffentlichen Verkehrsmittel längst gut ausgebaut. Das liegt auch daran, dass die weiten, offenen Flächen zunehmend als Stadtentwicklungsgebiet für große Wohnbauprojekte genutzt werden. Und wo viele Menschen wohnen, braucht es eben gute Bus-, Straßenbahn- und U-Bahn-Verbindungen.

 

Die Bevölkerung der Donaustadt wächst schnell: Allein in den letzten zehn Jahren ist die Einwohnerzahl hier um mehr als 25 Prozent angestiegen – das liegt weit über dem Wiener Durchschnitt. Nicht alle Alteingesessenen freuen sich darüber, denn wer hierhergezogen ist, um ins Grüne schauen zu können, möchte diesen Weitblick nicht durch ein weiteres Hochhaus verstellt sehen. Doch genau das war wohl von Beginn an das Schicksal des ehemaligen Überschwemmungsgebietes: Seit der Donauregulierung 1875 konnten sich immer mehr Menschen auch auf dieser Seite des Flusses ansiedeln. 1904 eingemeindet, leben die ehemaligen kleinen Anger- und Straßendörfer, wie Aspern, Stadlau und Kagran, zwar noch in den Namen der Bezirksteile fort, zusammen- gewachsen sind sie jedoch schon lange.

 

Hochhaus und Schrebergarten

Trotz des rasanten Zuzugs bleibt die Donaustadt mit ihren über 10.000 Hektar Fläche nicht nur der größte, sondern immer noch einer der am dünnsten besiedelten Bezirke Wiens – und einer der vielfältigsten. Es kommt eben darauf an, wo genau man wohnt. Von der Reichsbrücke kommend, empfängt einen die Donaustadt mit einer Skyline, die beinahe aus einer anderen Welt zu sein scheint. Die exklusive Donau City mit Österreichs höchstem Gebäude, dem 220 Meter hohen DC Tower 1, zeigt eindrücklich: Wien kann auch hypermodern. Ein paar hundert Meter weiter ist es aber schon wieder vorbei mit den spiegelglatten Glasfronten. Ein Hochhaus hier, ein paar weitere da, dazwischen die alten Zinshäuser, große Wohnanlagen, dann wieder ein Einkaufszentrum oder Fabriksgelände, und in den Nebenstraßen landet man schnell in einer der ruhigen Einfamilienhaussiedlungen mit kleinen Vorgärten und bepflanzten Alleen und einem Autoabstellplatz vor jeder Haustür. Dazwischen ab und zu eine Schrebergarten-Anlage.

Der 22. hat einfach von allem etwas: Penthouse und Zinshaus, Wohnblock und Schrebergarten. In den Siedlungen herrscht oft ein nachbarschaftliches Miteinander, das eher an Dorfleben erinnert als an die typische Anonymität in der Stadt. Man kennt sich, grüßt und schaut aufeinander. Wirklich ländlich wird es an den Bezirksrändern, wo auch Raps-, Mais- und Kürbisfelder zum Stadtgebiet gehören und wo Bezirksteile noch etwas von ihrem ursprünglichen Dorfcharakter behalten haben. Auch wenn hier ein Häuschen neben dem anderen klebt, bleibt immer noch dieses Gefühl von fast unendlicher Weite. Schließlich öffnet sich hier schon das Marchfeld, und darüber spannt sich ganz viel Himmel. Auch das ist – gerade noch – Wien. Himmel.

 

Beitragsbild: © Adobe Stock

 

Dr.in Cornelia Ehmayer-Rosinak ist Gründerin und Leiterin der STADTpsychologie und arbeitet und forscht seit vielen Jahren im Bereich der dialogorientierten Stadtentwicklung. stadtpsychologie.at

 

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