Die Piraten im Ruderboot
Wer bei Rudern nur an romantische Runden zu zweit an einem malerischen See denkt, ist bei diesen Piraten falsch. Hier geht man es etwas sportlicher an. Wir haben uns bei einem der ältesten und erfolgreichsten Ruderclubs Österreichs genauer umgesehen und neben einem wunderschönen Clubhaus jede Menge Boote und auch einen Hauch von Romeo und Julia gefunden.
Die Alte Donau ist ein Paradies, in dem neben Ruhe und Erholung auch der Sport seinen Platz hat – an der klangvollen Adresse „Dampfschiffhaufen 65“ zum Beispiel. Wer hier zwischen Autobahn und Kleingartenverein den Blick schweifen lässt, sieht gleich das stattliche Haus mit dem Schriftzug „Ruderclub Pirat“. In selbstbewusst geformten Buchstaben wird schnell erzählt, was hier gepf legt wird: Nämlich leidenschaftliche Ruderkultur.
Männer mit Zillen und Willen
Und das bereits seit 1875, als ein paar honorige Herren mit ihren Zillen beschlossen, ihr Hobby ein bisschen organisierter anzugehen. Allzu viele Sportvereine gab es noch nicht. Allzu viele Leistungssportler naturgemäß auch nicht. Der erste Präsident trug den wunderschönen Namen Anton Ritter von Henriquez, und das erste Bootshaus stand nicht an der Alten Donau, sondern in Langenzersdorf. Ein paar Jahre später wuchsen sowohl Mitgliederzahl als auch Begeisterung und Können. Die kommenden Jahrzehnte waren von Fusionen mit anderen Vereinen geprägt. Auch die eine oder andere Abspaltung soll es gegeben haben. Bemerkenswert war das Jahr 1883, als einige Ruderer ihrer Sportart untreu wurden, nicht aber dem Vereinswesen. Sie gründeten den Wiener Sportclub und spielten fortan Fußball. Aber das ist eine andere Geschichte.
Schwere Zeiten, starke Piraten
Zurück zu den Piraten. Der Erste Weltkrieg war eine Zäsur. Fast die Hälfte der Piraten fiel an der Front. Eine der vielen Phasen des Wiederaufbaus begann. Auf die folgenden sportlichen Höhenflüge der 1920er-Jahre folgten mit der Wirtschaftskrise in den 1930ern und dem Zweiten Weltkrieg weitere harte Rückschläge. Aber die Piraten blieben stark und schafften es, ihre Bootshäuser wieder aufzubauen und den Betrieb wiederaufzunehmen. Ohne Kriege und Rückschläge verliefen die kommenden Jahrzehnte und sollten zahlreiche Staats-, Welt- und Europameister aus dem Piratenstall hervorbringen. Dr. Christoph Schmölzer war dabei wohl die herausragendste Erscheinung. Er wurde viermal Weltmeister, zweimal Vizeweltmeister und ist mit seinen 23 österreichischen Staatsmeistertiteln der erfolgreichste Pirat aller Zeiten.
Romeo und Julia an der Alten Donau
Die heutige Generation der Piraten arbeitet daran, diese Erfolge zu wiederholen, erzählt Daniel Drobil. Er kennt den Verein seit seiner Kindheit und ist hier zwischen Booten, Wasser und Rudern aufgewachsen. „Ich war noch nie im Gänsehäufel. Wir haben die Sommer immer hier im Club verbracht“, erzählt er. Seit Generationen sind die Drobils Piraten. Seine Lebensgefährtin nicht. Die wuchs im Ruderclub LIA auf der anderen Uferseite auf. Romeo und Julia an der Alten Donau quasi. Kennengelernt haben sich die beiden aber erst vor ein paar Jahren beim Organisieren des „Wienerachter“, einer Regatta am Donaukanal, die mit den Jahren immer größer und bedeutender wurde. Wie auch die Liebe der beiden übrigens.
Mehr Zuschauer am Donaukanal
Beim Wienerachter hatte Daniel Drobil das Ziel, den Rudersport zum Publikum zu bringen (und umgekehrt). „Außer der Familie und Freunden schauen bei Ruderwettkämpfen höchstens ein paar Nudisten an der neuen Donau zu. Das ist ok. Aber wenn wir unseren Sport bekannter machen wollen, müssen wir sichtbarer sein“, meint Drobil. Und so wuchs der Wienerachter von einer guten Idee zu einem hochklassigen, internationalen Event am Donaukanal. Mit dem Erfolg stieg auch der Aufwand. „Wir müssen uns mit der DDSG, dem Twin City Liner, der Stadt, den Teilnehmern und vielen anderen koordinieren. Das kostet viel Zeit. Wir sind immer auf der Suche nach Partnern, weil die Dimension mittlerweile für ein rein ehrenamtliches Engagement zu groß ist. Bekanntheit und Interesse sind jedenfalls da“, hofft der Pirat auf neue Impulse, um den Wienerachter noch erfolgreicher zu machen.
Gute Aussichten
Aktuell geht es den Piraten sehr gut. Es gibt mehr als 300 Mitglieder, von denen 200 aktiv rudern. Das Interesse für die angebotenen Anfängerkurse ist hoch, und langsam kehrt nach den wechselvollen Monaten der Jahre 2020 und 2021 wieder so etwas wie normales Ruderleben ein. Der Platz zum Rudern auf der Alten Donau wird zwar immer enger, weil im wachsenden Wien mehr gebaut, geschwommen und gesegelt wird. Aber am Dampfschiffhaufen 65 ist man optimistisch, dass die Stadt Wien einen ihrer ältesten Sportvereine weiterhin beim Kurshalten unterstützt.
Video: Stadt Wien/ Bohmann Verlag
Foto: Daniel Drobil