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Das graue Chamäleon – Die vielen Seiten des Betons

Bei Beton ist es wichtig, dass man vorher weiß, was man will. Alle Möglichkeiten stehen offen. Flexibilität ist in der Planungsphase seine große Stärke. Hat man eine Idee erst einmal umgesetzt und in Form gegossen, spielt er seine zweite Stärke aus: die Festigkeit. Kompromisslose Härte und Beständigkeit gegenüber äußeren Einflüssen machen ihn zum beliebten Baustoff für kleine und große Bauherrn.

Und doch hatte er lange Zeit mit dem Makel zu kämpfen, ein Material ohne Eigenschaften zu sein. Allzu glatt und kalt, wenig lebendig und von Natur aus grau. Den Architekten des Brutalismus – vom französischen „béton brut“, „roher Beton“ –, die von den späten 50er- bis in die späten 70er-Jahre vor allem damit arbeiteten, galt er als Inbegriff der Klarheit und Ehrlichkeit sowie als Symbol für neue Zeiten. Eine Art Beton-Utopie war nicht nur pragmatisch begründet, sondern hatte auch einen gesellschaftspolitischen Anspruch.

Brutalismus: gleicher Stil, unterschiedlicher Kontext

Sonja Pisarik vom Architekturzentrum Wien war 2018 Kuratorin der Brutalismus-Ausstellung: „Auffallend ist, dass diese Architektursprache nur etwa zwanzig Jahre lang verwendet wurde; dafür aber weltweit von Europa über Afrika bis in die USA. Dabei war weniger das Material Beton entscheidend, sondern der Kontext. In Europa war es der schnelle Aufbau nach dem Krieg, der nach einfachen und günstigen Bauweisen verlangte. Vor allem in den Bereichen Verwaltung, Wohnen und Bildung. In Afrika wollten die unabhängig gewordenen Staaten durch neue Architektur eine Trennlinie zur Kolonialzeit ziehen. Und in den USA war der Brutalismus Ausdruck eines starken und dominanten Establishments, das sich auf diese Weise ästhetisch verwirklichte.“

In Wien findet sich der Brutalismus vor allem in Kirchenbauten. „Interessant ist, dass die kontroversielle Optik dieses Stils bei Kirchen immer wesentlich besser angenommen wurde als bei anderen Gebäuden. Hier war es das Zweite Vatikanische Konzil, das den Impuls für neue, gewagte Ausdrucksweisen in den Bauten gegeben hat“, meint Pisarik. Bekanntestes Beispiel ist die Wotruba-Kirche in Wien-Mauer, die 1974 nach den Entwürfen des Bildhauers Fritz Wotruba aus 151 rohen Betonblöcken errichtet wurde und weltweite Bekanntheit erlangte. Aber auch die Konzilsgedächtniskirche in Lainz oder die Kirche Zu den vier Heiligen Evangelisten in Oberbaumgarten sind im Stile des Brutalismus erbaut worden.

Trend zu Beton in Design und Wohnraum

Doch zurück in die Gegenwart: Heute ist Beton ein Material, das Möglichkeiten schafft. In ästhetischer Hinsicht sind heute Dinge möglich, die früher undenkbar waren. Eine Küche aus Beton? Schmuck oder Einrichtungsgegenstände ebenso? Nicht alltäglich, aber dank der vielen Verarbeitungsvarianten immer wieder gewünscht.

Anfang des Jahrtausends setzte Wien ein markantes Signal für mutige Architektur, die auch sehr viel mit Beton zu tun hatte: Das MuseumsQuartier mit seinen voluminösen Würfeln, weiten Räumen und vielfältigen Nutzungen ist ein perfektes Beispiel, wie man Urbanität, Atmosphäre und Design unter einen (Beton-)Hut bringen kann. Die Kombination von Nutzungen und Materialien ist eine Erfolgsgeschichte.

Auch im Wohnbau wird Beton immer wieder mit Metall oder Glas kombiniert und neu interpretiert. Dazu kommt, dass große Wohnanlagen in Ziegel- oder Holzbauweise wirtschaftlich nicht immer sinnvoll sind. Der Bedarf nach neuem Wohnraum – vor allem in den Städten – verlangt effiziente Kalkulation und wirtschaftlich kalkulierte Zugänge. Hier erweist sich Beton in der Kosten-Nutzen-Rechnung als nahezu konkurrenzlos.

Kritiker sehen in Beton eine zu rasche Ausbeutung knapper Ressourcen wie Sand. Zudem sei die Zementproduktion ein großer CO2-Verursacher. Insofern sei – so deren Argumentation – das Bauen mit Beton in Zeiten der Klimakrise ökologisch unvernünftig. „Sie werden das, was ich über Betonherstellung sagen kann, nicht schreiben wollen“, meint zum Beispiel auf Anfrage ein Stadtforscher, der diese kritische Sicht teilt.

Mehr Nachhaltigkeit durch neue Herstellungsarten

Die Industrie reagiert auf solche Argumente einerseits mit Gegenargumenten und andererseits mit Materialentwicklungen. Beton sei mit seinen Bestandteilen Sand, Wasser und Kies im weitesten Sinne ein Naturprodukt, führen die Betonhersteller ins Treffen. Die lange Haltbarkeit in Verbindung mit den Recycling-Möglichkeiten spräche für die Nachhaltigkeit. Sanierungen wären einfach und schnell möglich. Zudem seien neue Formen wie Holzbeton und Ökobeton in der Herstellung umweltschonender. Die Materialforschung mache laufend Fortschritte und produziere immer mehr echte Alternativen mit ähnlichen Materialeigenschaften, argumentieren die Hersteller.

Dazu passt auch die aktuelle Ausstellung des Architekturzentrums Wien. Bis 9. September 2019 werden im Rahmen der Ausstellung „Critical Care“ Szenarien einer Baukultur skizziert, die die Beziehung zwischen Ökologie, Ökonomie und Arbeit auf allen Kontinenten neu bestimmt. Ein positiver Blick auf die weltweite Tendenz, Verantwortung für kommende Generationen zu denken und entsprechend zu handeln.

Ungewöhnliche Regatta mit Kanus aus Beton

Und sogar auf dem Wasser versteht es Beton, eine gute Figur beziehungsweise ein gutes Kanu zu machen. Am 28. und 29. Juni findet in Heilbronn wieder eine Betonkanu-Regatta statt. Sie ist eine Mischung aus Beton- und Bootsbautechnik, sportlichem Wettkampf und vor allem viel Spaß. Die Teilnehmer kommen aus Institutionen, an denen Betontechnik gelehrt wird. Prämiert werden dabei nicht nur die sportlichen Höchstleistungen, sondern auch Kreativität bei der Gestaltung der Boote und besonders originelle Mannschaftsauftritte.

Warum Beton überhaupt schwimmt? Das ist eine komplexe Angelegenheit. Wenn Sie sich nicht mit dem Stichwort „archimedisches Prinzip“ zufriedengeben, empfehlen wir einen Besuch hier. Dort wird der physikalische Hintergrund des Phänomens schwimmende Betonkanus genauer erklärt.

Beton hat zahlreiche Facetten und verdient Aufmerksamkeit auf vielen Ebenen. Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal in ein Schwimmbecken springen, an einer Baustelle vorbeigehen oder nach einem originellen Schmuckstück für sich oder Ihre Liebsten suchen.

Initiative SOS Brutalismus
Die „Initiative zur Rettung der Betonmonster“ setzt sich für die Erhaltung architektonisch wertvoller Gebäude aus der Epoche des Brutalismus ein.
www.sosbrutalism.org

Betonkanu-Regatta
Alle Informationen zur Betonkanu- Regatta 2019, die am 28. und 29. Juni in Heilbronn/D stattfindet. Inklusive Anmeldeunterlagen für spontane Teilnehmer. www.beton.org/inspirationen/betonkanu-regatta

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