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Wie sich das Wohnen wandelt

In den großen Städten Europas finden sich ganz unterschiedliche Wohnformen, die sich im Laufe der Geschichte stark veränderten. Dabei stellt Wien keine Ausnahme dar, auch wenn heutzutage der Großteil der Bevölkerung im Geschoßwohnungsbau lebt. Platz ist für alle und auch für die ein oder anderen ganz ausgefallenen „vier Wände“.

Mit rund 2 Millionen Menschen lebt mehr als ein Fünftelaller ÖsterreicherInnen in der Bundeshauptstadt Wien. Die Stadt wächst immer weiter und benötigt deshalb eine breite Palette an unterschiedlichen Wohnformen. Fakt ist aber, dass ein großer Teil der Bevölkerung im Geschoßwohnungsbau lebt. „92 Prozent der Personen, die in Wien hauptgemeldet sind, wohnen in verdichteter Bauweise“, weiß Anita Aigner. Die gebürtige Niederösterreicherin lehrt an der Technischen Universität Wien und hat ihren Forschungsschwerpunkt im Bereich der Architektursoziologie. Aigner kann die Zahl mit Blick auf eine Tabelle der Statistik Austria noch weiter präzisieren: „Etwa 43 Prozent der Menschen leben in großen Wohngebäuden mit 20 und mehr Wohnungen. Rund 35 Prozent in Gebäuden mit zehn bis 19 Wohnungen und circa 13 Prozent in Häusern mit drei bis neun Wohnungen.“ Nur sieben Prozent der WienerInnen leben in Einfamilienhäusern. Damit stellt Wien einen klaren Gegensatz zu Restösterreich dar. In den Bundesländern dominiert das Einfamilienhaus als klassische Wohnform. „Der Massenwohnbau – mit mehr als 20 Wohneinheiten – liegt dort im einstelligen Prozentbereich.“ Wien sticht aber auch noch in einem anderen Bereich im Bundesländervergleich hervor. Die Stadt verfügt über den größten Anteil an Gemeindewohnungen und geförderten Wohnungen. „Der Sozialwohnungsbau macht in Wien 43 Prozent
am Gesamtbestand der Hauptwohnsitzwohnungen aus, fast doppelt so viel wie in den zweitstärksten Bundesländern Kärnten und Oberösterreich und fast vier Mal so viel wie im Schlusslicht Vorarlberg“, erklärt Aigner. Und: In Wien dominiert das Wohnen zur Miete. Das gilt für 78 Prozent der WienerInnen.

Wien im Wandel

Noch vor 100 Jahren sah es allerdings ganz anders aus. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs war der soziale Wohnungssektor – der heute in Wien am größten ist – zahlenmäßig so gut wie überhaupt nicht vorhanden. Dominierend war bis damals der private, profitorientierte Mietwohnungsbau. Also das, was wir heutzutage als in der Gründerzeit errichtete „Zinshäuser“ bezeichnen. Sie machen auch heute noch rund ein Viertel des Wiener Gebäudebestandes aus. „Als ich in den 1980er-Jahren nach Wien kam, waren diese oft geschmäht. Heute sind sie heiß begehrt, da sie renoviert und mit schicken Dachgeschoßwohnungen ausgebaut sind“, erzählt Aigner. Sie sieht diese Entwicklung allerdings nicht nur positiv: „Die Wohnungen in diesen Häusern sind meist nur mehr zahlungskräftigen MieterInnen und KäuferInnen vorbehalten und insofern Gentrifizierungstrigger. (Anm. d. Red.: Gentrifizierung: Aufwertung von Wohnungen und/oder ganzer Wohngegenden durch Sanierung oder Umbau mit der Folge, dass die dort ansässige Bevölkerung durch wohlhabendere Bevölkerungsschichten verdrängt wird.) Um die Jahrhundertwende lebten in Wien Reiche wie Arme in Wohnungen und Häusern des privaten, profitorientierten Mietsektors. Die Zinskasernen dieser Zeit, in der viele ArbeiterInnen lebten, sind den meisten Menschen bekannt. Aber auch die bürgerliche Oberschicht lebte zur Miete – in aufwändig gestalteten Zinspalais. „Heute wohnt etwa ein Drittel der Wiener Bevölkerung zur Miete im privaten Sektor. Tendenz aber wieder steigend, zumal in den letzten Jahren im Durchschnitt doppelt so viele frei finanzierte Wohnbauten errichtet wurden wie geförderte.“

Hoch hinaus

Im frei finanzierten Sektor gibt es in Wien aktuell einen Trend, wenn es um die bauliche Wohnform geht: das Wohnhochhaus. „Diese Vertikalisierung wird derzeit vor dem Hintergrund eines zu zügelnden Bodenverbrauchs positiv wahrgenommen“, erklärt Aigner. Sie sieht die Entwicklung aber auch kritisch: „Die Vertikalisierung geht immer auch mit einer wenig wahrgenommenen Dimension sozialer Ungleichheit einher: Die oben mit Blick über die Stadt wohnenden Reichen schauen auf die in den unteren Geschoßen wohnenden Armen herunter.“ Für eine gesunde Entwicklung der Stadt braucht es aber einen Wohnbau, der alle Bevölkerungsschichten gleich stark berücksichtigt und ihre Bedürfnisse wahrnimmt. Alternative Konzepte zum reinen Wohnhochhaus und zum effizienten Umgang mit Boden gibt es laut Aigner viele: „Eingeschoßige Supermärkte, Drogerie- und Fachmärkte samt riesigen versiegelten Parkflächen sind im städtischen Umfeld heute nicht mehr tragbar. Deshalb wird in Zukunft die Überbauung mit Wohnungen eine von
vielen Lösungen sein.“

Der Geschoßwohnbau wird aber weiterhin die bestimmende Wohnform bleiben. Dazwischen wird sich allerdings vieles verändern und weiterentwickeln, ist sich Aigner sicher: „Grün- und Freiräume mit hoher Aufenthaltsqualität statt Abstandsgrün und asphaltierte Parkflächen werden entstehen.“ Bei zahlreichen GESIBA-Wohnbauten ist das bereits heute zu sehen. Aus bereits bestehenden Grünflächen werden sogenannte Ökoflächen (siehe Artikel auf Seite 7), oder es entstehen andere neue Formen der Begrünung. Wie wichtig solche Ansätze sind, wusste Architekt Harry Glück bereits in den 1970er-Jahren, als er den GESIBA-Wohnpark Alterlaa entwarf. In der Biotope City am Wienerberg im 10. Bezirk wird sein Konzept konsequent weitergelebt.

Auch andere Wohnbauprojekte der GESIBA zeigen, wie auf die modernen Anforderungen von Menschen im urbanen Umfeld eingegangen werden kann. So rückt die Bike City im zweiten Wiener Gemeindebezirk beispielsweise innovative Verkehrskonzepte für die Stadt in den Mittelpunkt. Ausgehend von der Annahme, dass immer mehr Menschen ihre Alltagswege mit dem Fahrrad bestreiten, bietet das Projekt alle notwendigen Infrastruktureinrichtungen dafür. Oder der Gemeindebau Neu in der Seestadt Aspern. Dort lassen sich die Wohneinheiten aufgrund des modularisierten Rahmenwerkkonzepts rasch modifizieren, Möbel werden beispielsweise als Zimmerwände eingesetzt – somit kann zukunftsfähig auf die dynamischen Bedürfnisse unserer Gesellschaft reagiert werden.

Urbane Alternative

Bereits heute gibt es alternative Wohnformen in der Stadt, die sich stark von den vorherrschenden Modellen unterscheiden. In der Lobau steht beispielsweise die „AKW Lobau“. Dabei handelt es sich um Wiens erste legale Wagengruppe, die bereits seit 2007 besteht. Eine Gruppe von Menschen – deren Größe sich immer wieder verändert – lebt in umgebauten Lkw, Campingbussen, Bau- und Zirkuswägen zusammen. Die Idee dazu ist nicht aus Geldnot heraus entstanden. Die Menschen haben zum Ziel, im urbanen Raum in größtmöglicher Freiheit und Selbstverwaltung zu leben. Den Anfang nahm die Gruppe in Simmering. Dort mieteten sie eine Fläche neben einer Gärtnerei. Da es sich jedoch um eine landwirtschaftliche Fläche handelte und dauerhaft abgestellte Wägen als Bauwerk gelten, musste eine Alternative gefunden werden. Die Stadt bot eine als Bauland gewidmete Wiese im Naherholungsgebiet Lobau neben dem Dampfkraftwerk zur Vermietung an: der heutige Stellplatz der Wagengruppe. In anderen deutschsprachigen Großstädten – Hamburg oder Berlin – haben solche Konzepte bereits
eine fast 40-jährige Tradition.

Ebenfalls in den beiden deutschen Millionenstädten zu finden sind zahlreiche Hausboote. In Wien sieht die Situation etwas anders aus. Wirtschaftlich gesehen ist die Bebauung von Wasserflächen in Wien nicht unbedingt gewünscht, da es viel Bewegung von Handelsschiffen auf der Donau gibt. Ein schwimmendes Beispiel existiert allerdings: Im Kuchelauer Hafen – nahe der niederösterreichischen Grenze – liegt seit 2009 Wiens erstes und derzeit einziges Hausboot. Die rund 50 Quadratmeter bieten einer ganzen Familie ausreichend Platz, um gemütlich zu wohnen. Die Nachbarn sind Enten und Biber, und überhaupt ist die Umgebung voller Natur. Die bodentiefen Fenster im Wohnbereich ermöglichen einen herrlichen und einzigartigen Blick auf das Kahlenbergerdorf auf der gegenüberliegenden Uferseite. Auch so können „vier Wände“ in Wien aussehen.

Zur Person: Anita Aigner wurde 1968 in Amstetten geboren. Nach dem Studium der Architektur und der Philosophie sammelte sie in verschiedenen Architekturbüros Praxiserfahrung. Seit 2004 ist sie Assistenzprofessorin am Institut für Kunst und Gestaltung der TU Wien, wo sie vor allem architektursoziologische Forschung betreibt.

Der aktuelle Kinofilm „27 Storeys“ erzählt Geschichten von Menschen aus dem GESIBA Wohnpark Alterlaa von Architekten Harry Glück:

Copyright Beitragsbild: Adobe Stock

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