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Mehr Herz und Verstand – wie wir weise werden können

Es ist einfacher, einen weisen Menschen zu erkennen, als Weisheit selbst zu beschreiben. Viele von uns denken beim Hören und Lesen dieses Begriffs spontan an geistliche Führer wie den Dalai Lama oder vielleicht an betagtere Bezugspersonen im näheren Umfeld wie die eigene Großmutter. Aber was macht deren Weisheit aus? Und was bedeutet Weisheit eigentlich genau? Fällt sie einem Menschen zu, wie eine Gabe, oder beruht sie auf Fähigkeiten, die sich unter Umständen sogar erlernen lassen? Die promovierte Entwicklungspsychologin und Weisheitsforscherin Judith Glück ist diesen Fragen in ihrer Forschung auf den Grund gegangen und hat fünf Eigenschaften festgemacht, über die weise Menschen verfügen: Offenheit für neue Perspektiven, kluger Umgang mit den eigenen Gefühlen,  infühlungsvermögen, Reflektiertheit und Selbstvertrauen. Wenn wir diese Ressourcen trainieren und auf sie zurückgreifen, kann es uns gelingen, aus Lebenserfahrungen Weisheit zu gewinnen.

Offen fürs Andere
Das erste Prinzip, das die Forscherin bei weisen Menschen ausmacht, ist das der Offenheit. Denn wer bereit ist, sich auf neue Erfahrungen, andere Denkweisen und Veränderungen einzulassen, kann die eigene Perspektive erweitern. Im Alltag ist das oft leichter gesagt, als getan. Wir alle begegnen der Welt manchmal mit vorgefassten Sichtweisen. Die Kunst liegt darin, zu lernen, von ihnen abzulassen und willens zu sein, sich überraschen zu lassen. Weise Menschen haben sich also bis zu einem gewissen Grad die kindliche Fähigkeit des Staunens, des Wahrnehmens ohne sofortiges Einordnen erhalten.
Ein Verein, dem es am Herzen liegt, zu vermitteln, wie wir der Welt mit Neugier begegnen können, ist „nanu – Naturpädagogik, Neugierde und Umweltbildung“. Die Gruppe von PädagogInnen möchte Interessierte für die Natur in ihrer direkten Umgebung begeistern. Dabei vermitteln die sogenannten „Ranger“ Fähigkeiten, mit Tieren und Pflanzen umzugehen, sie zu beobachten und spannende Detailinformationen über sie herauszufinden. Ziel ist es, die Natur und deren natürliche Prozesse wahrzunehmen und zu verstehen. Die NaturvermittlerInnen bieten mehrstündige Programme für
verschiedene Altersstufen an – für Kinder, Schulklassen und Erwachsene. In diesem Rahmen wird der Umwelt mit Gebasteltem auch zurückgegeben: zum Beispiel mit selbstzubereiteten Futterknödeln als Vogelnahrung im Winter und selbstgebauten Brutkästen.

Emotional kompetent
An zweiter Stelle folgt nach dem offenen Zugang zur Außenwelt ein guter Umgang mit der eigenen Innenwelt: Hier geht es darum, in sich hineinzuspüren, die eigenen Gefühle wahrzunehmen und sie ernst zu nehmen. Denn wer langfristig unangenehme Gefühle unter den Teppich kehrt, wird tendenziell engstirnig und bitter. Je mehr wir uns mit unserer emotionalen Innenwelt beschäftigen, desto öfter machen wir die bewusste Erfahrung, dass Gefühlszustände sehr vielfältig sind – oft empfinden wir mehr als eine Emotion gleichzeitig – und vor allem auch transient, also etwas Vorübergehendes. Diese Erkenntnis hilft uns dabei, weniger von der Intensität unserer Gefühle überwältigt zu werden, sondern ihrem Kern die erforderliche Bedeutung beizumessen. Im Alltag helfen bei dieser Beobachtung der eigenen Gefühle kleine Meditationsübungen und kurze sogenannte „Self-Checkins“, in denen wir innehalten, in uns hineinhören und uns fragen: Wie geht es mir in diesem Moment?
Insbesondere in einem Entscheidungsprozess ist das Wissen um die eigenen Gefühle ein wichtiger Garant dafür, dass der letztendlich eingeschlagene Weg im Nachhinein auch als richtig oder weise empfunden wird. „Unsere Forschung hat ergeben, dass Menschen ihre Entscheidungen im Nachhinein als weise empfunden haben, wenn sie einerseits verschiedene Perspektiven berücksichtigt haben, andererseits aber auch das getan haben, was für sie persönlich wichtig war. Man muss Bauchgefühlen nicht unbedingt folgen, aber sie ernst nehmen. Sich fragen, was ist mir wirklich wichtig im Leben?“, so die Weisheitsforscherin Judith Glück im Kurier-Interview.

Perspektivenwechsel
Das Kultivieren eines reichen Innenlebens hilft zudem dabei, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, also das eigene Einfühlungsvermögen zu schulen – denn je offener eine Person für ihre eigenen Emotionen ist, desto besser kann sie auch die Gefühle anderer deuten. Neben der Selbstwahrnehmung ist eine weitere wichtige Voraussetzung für das Empfinden von Empathie die sogenannte „Selbsttranszendenz“, das heißt, sich seinem Gegenüber zu widmen – ganz ohne Rücksicht auf die eigenen Bedürfnisse und die eigenen Befindlichkeiten, ohne das eigene Ego bestärken zu müssen. In anderen Worten: Dinge weniger persönlich und ichbezogen zu bewerten. Denn genau diese Fähigkeiten schätzen wir, wenn wir uns von jemandem beraten lassen. So hat die Weisheitsforscherin beobachtet, dass eine der häufigsten Assoziationen, die schon Kinder zum Begriff Weisheit haben, das Bild des weisen Menschen ist, der durch seinen guten Rat hilft. Weise Menschen sind demnach in der  Lage, zu erkennen, was jemand braucht, und ihm das auf eine Art zu vermitteln, die er auch annehmen kann.
Dieses Sensorium für die Bedürfnisse des Gegenübers kann durch das Erkunden unterschiedlicher Kulturen geschärft werden. Das geht zum Beispiel durch Reisen, durch das Explorieren eines bisher unbekannten Grätzls in der Heimatstadt und durch interaktive Sendungsformate wie das YouTube-Format FRAG EIN KLISCHEE von hyperbole. In Letzterem können UserInnen einer Spokesperson Fragen stellen, die sie sonst nicht laut zu stellen wagen würden.

So ein Lebenswelttourismus schafft Verständnis untereinander und sorgt damit für mehr sozialen Zusammenhalt. Dieses Konzept ist auch einer der Eckpfeiler von SHADES TOURS. Das österreichische Sozialunternehmen organisiert bewegende Touren und Aktivitäten zu gesellschaftlich polarisierenden Themen. Das Besondere daran: Sie werden von betroffenen Personen selbst geführt. Die Teilnehmenden blicken damit hinter die Kulissen ihrer Stadt. Die umfassten Themenbereiche sind „Armut und Obdachlosigkeit“, „Flucht und Integration“ sowie „Sucht und Drogen“. Anhand von sachlichen Informationen und Begegnung soll Verständnis für marginalisierte Bevölkerungsgruppen auf- und Vorurteile diesen gegenüber abgebaut werden. So sagt Tourguide Renate über ihre Erfahrungen bei SHADES TOURS: „Durch die Arbeit bei SHADES TOURS lernte ich sehr nette und interessante Menschen kennen, die mir von Anfang an das Gefühl gegeben haben, dass ich dazugehöre. Das ist etwas, was ich gar nicht mehr kannte.“

Intellektuell demütig
In gewisser Weise geht es darum, das Wahrgenommene kritisch zu hinterfragen. Sich der eigenen Vorurteile bewusst zu werden. Die eigenen Gefühle zu beobachten. Sich in die Position von anderen Menschen hineinzuversetzen. All das entschleunigt das eigene Handeln und macht es zugleich besonnener. Weg vom Affekt hin zu Bedachtheit. Hin zu einem die Komplexität bejahenden Verständnis der Welt. Zu einer inneren Haltung, die anerkennt, dass wir nur einen sehr kleinen, subjektiven Zugang zur Welt haben und dass einfache Lösungen oft mehr ein Wunschdenken sind, als dass sie tatsächlich zufriedenstellende Ergebnisse liefern. Vielmehr wissen weise Menschen, dass es insbesondere in Konfliktsituationen darum geht, gangbare Wege zu finden, welche die unterschiedlichen Gesichtspunkte und Interessen ausbalancieren, so dass gemeinsam der bestmögliche Kompromiss eingegangen werden kann. Letztendlich führt das Sich-im-kritischen-Reflektieren-Üben zu einer „intellectual humility“, zum Wissen, dass wir falsch liegen können (mehr dazu finden Sie auf unserem Blog unter https://www.fairliving-blog.at/intellectual-humility/).

Gelassenheit einziehen lassen
All diese Erkenntnisse helfen uns ebenso dabei, die Überschätzung unseres Einflusses auf die Ereignisse in unserem Leben und den Wunsch danach, den Lauf der Dinge zu kontrollieren, zu überwinden. An die Stelle dieser Illusion tritt dann eine realistische(re) Einschätzung der eigenen Möglichkeiten und Grenzen. Diese Gedanken wollen wir mit dem Gelassenheitsgebet des US-amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr abschließen:

„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

 

Inspirationen

Lebenserfahrungen formen
In ihrem Sachbuch „Weisheit. Die 5 Prinzipien des gelingenden Lebens“ entschlüsselt die Weisheitsforscherin Judith Glück das Geheimnis weiser Menschen. Das Buch ist 2016 im Kösel-Verlag erschienen und kann um € 15,99 als E-Book heruntergeladen werden.

Natur entdecken
Der Verein nanu hält ein breites Angebot an Erfahrungen im satten Grün bereit – vom achtsamen Naturerleben unter freiem Himmel über die Herstellung von Kräuterbutter und -tee bis hin zu Vogelraten im Pötzleinsdorfer Schlosspark. Termine nach Vereinbarung via E-Mail unter info@nullverein-nanu.at.

In andere Leben einfühlen
SHADES TOURS bieten von Betroffenen geführte Touren zu Themen wie Armut und Obdachlosigkeit, Flucht und Integration oder Sucht und Drogen an. Touren können von Einzelpersonen, Gruppen, Schulklassen und Unternehmen gebucht werden. Ticket-Anfragen telefonisch via (01) 997 19 83, per E-Mail an vienna@nullshades-tours.com sowie online auf shades-tours.com/buchen.


Foto: shutterstock

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