Die Stadt-Bergwerkerin
Die Stadt steckt voller Materialien, aus denen sich neue Dinge machen lassen. Dieser Kreislauf beginnt (oder endet) bei Brigitte Kranner. Wir haben die engagierte Unternehmerin auf ihrem Schrottplatz besucht und viel über die Stadt als Bergwerk erfahren.
Es ist ein nebeliger Spätherbstmorgen in der Brigittenau. Zwischen ambitioniert hohen Büroneubauten und den verlassenen Schauräumen ehemaliger Autohäuser befindet sich ein bemerkenswerter Ort. Die erste Besonderheit ist, dass es bei Altmetalle Kranner in jeder Hinsicht sehr aufgeräumt zugeht. Keine Autowrack-Stapel oder Gefriergeräte-Berge. Das Schrottplatz-Klischee, das man im Kopf hat, muss man beim Betreten des Firmenareals gründlich revidieren. Die Ordnung hat wohl auch damit zu tun, dass man hier einen genauen Plan hat, wie das Unternehmen positioniert ist: „Wir sind die Apotheker unter den Schrotthändlern … quasi der Nahentsorger“, erklärt die Geschäftsführerin Brigitte Kranner das Segment, in dem sie mit ihrem Mann gemeinsam tätig ist. Aluminium, Nickel, Zinn, Zink, Kupfer und Blei sind hier in besten Händen, werden sorgfältig getrennt und dann weiterverkauft. „Wir garantieren unseren Abnehmern Menge und Qualität.“ Brigitte Kranner geht es vor allem um die lokale Nutzung und Wiederverwendung vorhandener Ressourcen. „Die Stadt ist ein Bergwerk voller Schätze. In einer 100 Quadratmeter großen Wohnung steckt so viel wiederverwertbares Metall wie in sieben Autos.“
Deshalb sieht sich Kranner als Botschafterin des Urban-Mining-Gedankens. Der intelligente Umgang mit Ressourcen beginnt beim Design eines Produktes und braucht eine effiziente Rückgewinnung sogenannter Sekundärrohstoffe. „Für jede Schraube, jedes Plastiksackerl und jede Betonmauer wurden schon einmal aufwändig gewonnene Rohstoffe verwendet. Deshalb müssen wir diese Quellen nutzen, statt neu zu produzieren.“ Und sie erklärt einen weiteren wichtigen Punkt: „Wenn zum Beispiel ein Handy modular aufgebaut ist, kann man einzelne Elemente nicht nur reparieren, man kann sie auch besser trennen und entsorgen. Der nachhaltige Kreislauf beginnt also schon beim Produktdesign. Da müssen die Unternehmen ansetzen, wenn sie den Verbrauch wirklich zum Besseren verändern wollen.“
Sie selbst ist vor zehn Jahren durch eine Radioreportage auf das Thema gekommen. Mittlerweile betreibt sie zum Thema Urban Mining einen erfolgreichen Blog, der über viele Details und aktuelle Entwicklungen informiert. So engagiert sich Brigitte Kranner mit Wissen und Leidenschaft dafür, dass das Prinzip, die Stadt als Bergwerk zu verstehen, bekannt gemacht und vor allem praktiziert wird.
Ihr Blog ist eine professionelle Mischung aus Basisinformation zum Thema und zu aktuellen Projekten, die zeigen, wie gut das Prinzip Urban Mining in der Praxis funktionieren kann.
Zum Beispiel bei magdas Küche: Der Ableger von magdas Hotel in Liesing stellt nicht nur gutes Essen in den Fokus. In dieser Großküche geht es auch um einen sozialen, ökologischen und ökonomischen Mehrwert. Bei der Planung des Gebäudes wurden zum Teil Materialien aus Abbruchprojekten verwendet. ATP sustain GmbH Wien hat gemeinsam mit den Materialnomaden überall, wo es möglich und sinnvoll war, recycelte Materialien verwendet. Im Innenraum kommen Teile aus Abbruchprojekten eines OMV-Bürogebäudes oder eines Seniorenhauses der Caritas zum Einsatz. Vollholzhandläufe und ausgemusterte Stahlplatten erwachen in den Erschließungs- und Aufenthaltsbereichen zu neuem Leben. Eine optisch spannende Paneelwand in der Kantine war früher eine Deckenverkleidung in einem Büro, und der Parkettboden eines ehemaligen Seniorenhauses der Caritas darf nun in diesem Gebäude eine neue Verwendung genießen. Bei diesem durchdachten Wiederverwendungsreigen ist es nur stimmig, dass man von der Terrasse einen wunderbaren Blick auf einen der drei Standorte von Altmetalle Kranner hat.
Im Blog findet sich auch ein architektonisch spektakuläres Urban-Mining-Projekt in Berlin. Der Glaspavillon „bauhaus reuse“ wurde rechtzeitig zum aktuellen Bauhaus-Jubiläum eröffnet. Er besteht aus historischen Fassadenelementen des weltberühmten Bauhauses, die wiederverwendet wurden.
Auch andere haben das Prinzip Urban Mining schon verinnerlicht, wenngleich auf fragwürdige Art: In nicht mehr genutzten Bauwerken, wie in alten Kinocentern oder in Hochhäusern, werden von illegal arbeitenden „Spezialisten“ die vorhandenen Rohstoffe fachgerecht ausgebaut und getrennt. „Die Polizei ist durch einen Hinweis von uns vor ein paar Jahren auf ein nicht mehr genutztes Gebäude aus den 90er-Jahren gestoßen“, erzählt Brigitte Kranner. „Dort waren sämtliche Kabel und Metallteile schon fein säuberlich getrennt und zum Abtransport vorbereitet. Als der Besitzer der Polizei die Tür aufsperren wollte, waren schon die Schlösser getauscht, damit drinnen ungestört urbane Rohstoffe geschürft werden konnten.“
Mehr Metall-Wissen und Urban-Mining-Projekte finden Sie in unserem Beitrag über die Stadt als Bergwerk sowie unter:
www.altmetall.at
www.urbanmining.at
In magdas Küche werden soziale Verantwortung und Re-Use-Konzepte perfekt kombiniert.
Achtsamkeit für die Ressourcen der Stadt: Die Terrasse von magdas Küche mit Blick auf Altmetalle Kranner
Glaspavillon in Berlin: Originale Bauhaus-Elemente neu interpretiert
Fotos: Altmetalle Kranner, bauhaus-reuse.de, magdas